Symptombilder: Ohnmacht in Öl

Der junge Maler Kümram verehrt Grünen-Chefin Ricarda Lang - seinem Gemälde im Format vier mal vier Meter sieht man das an.

Es ist nicht ganz die Merkel-Raute. Ricarda Lang hat dem aus der deutschen Geschichte bekannten ikonischen Motiv der beiden beinahe gefalteten Hände mit den abgeknabberten Fingernägeln eine eigene Note hinzugefügt. Grazil stützen sich die Fingerspitzen der Grünen-Chefin aneinander, ein Verweis darauf, so interpretiert der junge Künstler Kümram dieses zentrale Element seines Ölgemäldes, dass in Tagen der Krise, in Wochen, ja, Monaten irgendwann nur noch Halt findet, wer ihn bei sich selbst zu suchen weiß. Lang, vom Maler in einem dunklen Raum gesetzt, der die umgebende Wirklichkeit symbolisieren soll, steht in den Stürmen der Zeit das, was früher ein Mann gewesen wäre.  

Eine Frau mit Instinkten

Unerschütterlich folgt die kräftige Frau ihren Instinkten. Dort, wo die Macht ist, will auch sie sein. Dort, wo gemacht wird, tut sie mit. Deutschland mag an Staat im Endstadium leiden, eine Krankheit, die bisher selten diagnostiziert wurde. Doch in Kümrams Werk tritt des volle Symptombild dem Betrachter entgegen: Der kleine Kopf steht für die Reste von Vernunft. Der raumgreifende Körper für die Erinnerung an die vielen guten Jahre, die hinter den ehemaligen Nation liegen, an den Wohlstand, das Essen, das auf dem Tisch stand, die vollen Regale, die bedenkenlose fossile Mobilität, die auch Nichtläufern den Weg zu jedem Ziel ebnete. 

Ein Erfolgsmensch steht da vor seinen Bewunderern, unverwechselbar, charismatisch, mit einer unverkennbarer Art, zu sprechen und zu denken. Wer sich umdrehen würde, um hinaus ins Land zu schauen, sähe viel Ohnmacht, Ratlosigkeit und Verzweiflung. Wer im Bild bleibt, zwischen den Rahmen, für die Kümram ein barockes Modell gewählt hat, der erkennt: Noch nie gab es so viel Begeisterung für Staatsversagen und falsche Weichenstellungen. Noch nie war die Bereitschaft zur Weltflucht Vorbedingung für politischen  Gestaltung.

Auf der Flucht die Pferde nicht wechseln

Getreu der alten Devise, dass man auf der Flucht, schon gar nicht auf der Flucht vor der Wirklichkeit, die Pferde nicht wechseln soll, haben die beiden großen Regierungsparteien ihre Besten gerade im Amt bestätigt, zum Teil mit honeckerhaften Ergebnissen über 90 Prozent. Ricarda Lang bekam nur 82,3, aber Kümram hat der Versuchung widerstanden, die ihn überkam: Er habe kurz, sagt der Maler, darüber nachgedacht, über den unteren Bildrand hinaus kleine Strichfüße zu malen, wie von einem Kind gekrakelt, um anzudeuten, wie es tatsächlich um die Standfestigkeit der von ihm als "echte politische Wuchtbrumme" (Kümram) verehrten Politikerin und der von ihr getragenen Koalition steht.

Allein, sein Galerist habe ihm dringend abgeraten. "Unser Grundgesetz ist doch ziemlich eindeutig in Artikel 1, wenn es sagt, die Würde des Menschen ist unantastbar", hat er mich gewarnt, und "das gilt immer und überall und wer sich daran nicht hält, ist Feind unserer Verfassung." So einfach und so kompliziert sei das, weil es nicht verbiete, diese kleinen Krakelfüße unter Ricarda Langs ganzem Volumen zu sehen, aber die Rücksichtnahme eines sensiblen Künstlers gebiete, auf den durchsichtigen Versuch zu verzichten, den Betrachtern die schmale und überaus empfindliche Basis, auf der das enorme politische Gewicht der halben grünen Doppelspitze ruhe, "auch noch propagandistisch auszumalen".

Ein barockes Sittenbild

Kümram beließ es also bei einem barocken Bild dieses "Zoon politikon", dessen Bezeichnung als "Schinken" er nicht zurückweist. "So habe ich es vor meinem inneren künstlerischen Auge gesehen und so habe ich es gemalt", sagt der Mann, der einst bekannt geworden war für ein Selbstporträt, auf dem er eine von eigener Hand gefertigte Zeichnung der damaligen Kanzlerin Angela Merkel mit Inbrunst küsst. Nicht weniger Tiefe, unbeirrbare innere Stärke und festen Willen strahlt sein Lang-Porträt aus. 

Die rote Bluse zwinkert Richtung Sozialismus, die schwarze Hose, streng geschnürt, beleiht modische Signale aus dem Maskulinismus, das kaum erkennbare Mikrophon am Hals, ein zartes Detail, verdeutlicht den Anspruch, überall gehört zu werden. "Wir machen Politik und ja, es klingt pathetisch, aber wir machen Politik aus Liebe zum Menschen", hat die Abgebildete selbst ihren Anspruch darauf formuliert, für all die Mühe von den Massen da draußen zurückgeliebt zu werden. Kümram öffnet mit seiner filigranen Kunst ein Türchen zu Herzen der jungen Politikernden, durch die die Menschen im Lande nun eingeladen sind, fröhlich und unbefangen zu schreiten.




0
0
0.000
3 comments
avatar

Vielleicht sollte Deutschland mal weniger auf sich selber als auf die globale Welt schauen.

Putin vor der Haustür, Trump auf der anderen Seite des Antlantik und da gibt es ja noch einen mächtigen Mitspieler, Xi bzw. China.

Dieser Artikel sollte einige Menschen, Manager und Politiker zum Nachdenken anregen. Was da gerade passiert, könnte massive Auswirkungen auf unsere Wirtschaft, die Gesellschaft und unseren Wohlstand haben:
BYD: Kampfansage an die Autoindustrie in Europa und Amerika

0
0
0.000