Bundesworthülsenfabrik verkündet Siegernamen: Wie die neue Gasumlage private Konten entlastet

Unter Nutzung des gesamten Deutungsspektrums der deutschen Sprache: Die neue Belastungist eine Entlastung und bald nicht einmal die letzte.

Nun ist es amtlich. Als Bundeskanzler Olaf Scholz den Deutschen und Deutschinnen vor einer Woche neue Entlastungen in der Energiepreiskrise versprochen hatte, sprach der "Regierungsvertreter*in aus Deutschland", wie Scholz sich selbst bei Twitter nennt, nur relativ wolkig von einer "Umlage", die er plane. Die werde nicht weiter der Rede wert sein, zwei Cent oder eine Kugel Eis, 300 Euro für eine Familie oder jedes Familienmitglied. Etwas mehr vielleicht, ergänzte der Klimaminister wenig später, entweder im Jahr oder im Monat, das alles hänge ganz davon ab, wie gut die Bürgerinnen und Bürger beim Energiesparen mitmachen, so lange über den Sommer hinweg kaum geheizt werden müsse.

Die große Frage nach dem Namen der Entlastung

Hinter den Kulissen der Berliner Bühne liefen derweil natürlich schon die strategischen Abstimmen über die wichtigsten Eckpunkte der neuen Umlageumlage, die beim Erdgas staatliche Abgaben wie die CO2-Abgabe, die EEG-Umlage,die Netzentgelte, die Messumlage und die Gassteuer ergänzt. Wer soll zahlen müssen und wann? Werden die 300 Euro gleich mit der 300-Euro-Überweisung der Energiepauschale verrechnet oder muss die erst versteuert und dann aus privaten Mitteln aufgestockt werden? Wann ist Zahltermin, wie hoch sollen Strafen für Verweigerer ausfallen und vor allem: Welchen Namen soll Scholzens "Umlage" im derzeit vorbereiteten Warmerwintergas-Gesetz tragen? 

Mittlerweile ist die Entscheidung zwar noch nicht offiziell verkündet worden, doch der SPD-nahe Reichsnachrichtendienst (RND) in Berlin hat den Siegernamen in einer seiner Schreibtischreportagen über das heroische Ringen von Ampel-Grün und Ampel-Rot gegen Atom-FDP, Kohle-CDU, Rechtspopulisten, Energienazis und ostdeutsche Frostbeulen bereits verraten. Danach hat die Bundesworthülsenfabrik (BWHF) sich mit ihrem Vorschlag der Bezeichnung als  "Energieentlastungsumlage" (EEU) durchgesetzt. Oder wie es beim RND offiziell unter Nutzung des gesamten Deutungsspektrums der deutschen Sprache heißt: "Die Gasumlage kommt - doch weitere Entlastungen sind noch nicht in Sicht".

Erneuter Geniestreich - auch dank RND

Mit früheren politischen Signalbegriffen wie "Rettungsschirm", "Energiewende", "Schulden-" und "Mietpreisbremse", "Stromautobahnen" oder "Wachstumspakt", zuletzt aber auch mit  "Heißzeit", "Klimanotstand" und "Russengas" hat die als obere Bundesbehörde in Berlin residierende Bundesworthülsenfabrik (BWHF) in den zurückliegenden Jahren bereits viel Gutes für das Land bewirkt. Besonders in der Ära Merkel gelang es den Sinndesignern, Wortschmieden und Bedeutungsschreinern der BWHF immer wieder, neue Maßnahmen der Bundesregierung mit großem Nachdruck zu popularisieren. 

Sowohl der Ausstieg aus dem einst von der putinnahen und ganz auf russisches Klimagas vertrauenden rot-grünen Schröder-Regierung beschlossene Atomausstieg traf auf breite Zustimmung, ebenso der spätere Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg und der nach der Atomkatastrophe von Fukushima folgende Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg.

Neue Steuern sind keine Erhöhung

Dennoch galt eine Namensfindung für eine neue Steuer gerade in Zeiten einer Regierung, die mit dem Versprechen angetreten war, keine Steuererhöhungen durchzuführen, als außergewöhnliche Herausforderung. Rein rechtlich und erst recht politisch handelt es sich bei der Erfindung einer neuen Steuern, zumal, wenn sie "Umlage" genannt wird, zwar nicht um eine Steuererhöhung. Das hatte der politische Dienst des Bundestages zuletzt in einen Gefälligkeitsgutachten für die Gruppe der Anonymen Liberalen in der FDP herausgefunden. Medial aber steht gerade die frühere Wirtschaftspartei wegen der anhaltenden Preisexplosionen an allen Fronten unter Druck: Gerät der soziale Friede ins Rutschen, würden SPD und Grüne dafür die Knauserei der FDP verantwortlich machen, deren Umfragewerte der Parteispitze um Wirtschaftsminister Christian Lindner jedoch keinerlei Popularitätsverlust mehr erlauben.

Auf der langen Bank

So schiebt die Bundesregierung Planungen für sogenannte "neue Entlastungen" (RND) seit dem legendären ersten "Entlastungspaket" vom Februar ausdauernd vor sich her. Weder das "Klimageld", das im Wahlkampf versprochen worden war, noch irgendeine andere "schnelle und spürbare"  (Bundesfinanzministerium) Zahlung hat bisher irgendeinen Bürgenden*in erreicht. Allerdings gelang es, die Ungeduld von Ostdeutschen, Rechtsnationalen und Armen durch die Vergaben des Gute-Laune-Tickets und mit Hilfe einer zeitweisen Spritpreisbremse zu zügeln, so dass die "Volksaufstände" (Annalena Baerbock) erst für den Herbst befürchtet werden.

Dann aber soll mit der Entlastungsbelastung durch Energieentlastungsumlage gegengesteuert werden. Nach den derzeitigen Planungen wird die fällig, sobald die Bürgerinnen und Bürger ihre 300 Euro aus dem ersten Entlastungspaket vom Februar aufs Konto überwiesen bekommen haben. Ehe viele Menschen "die höheren Lasten nicht mehr tragen" (RND könnten, soll die Abbuchung erfolgen.  Grünen-Chefin Ricarda Lang hat bei einer Audienz im ZDF deutlich gemacht, dass ihre Partei für einen sozialen Kurs durch den ersten Winterohnegas stehe. Die Gasumlage könne kommen, das dabei eingenommene Geld müsse aber gleichzeitig als Entlastung wieder zu den Bürgerinnen und Bürgern kommen. "Noch in diesem Jahr, in diesem Herbst, müssen wir Entlastungen auf den Weg bringen", zeigte sich Lang entschlossen, notwendige neue Belastungen durch neue Entlastungspakete auszugleichen.

Entlastung landet direkt bei Staatsfirma

Die Energieentlastungsumlage (EEU) wird Firmen und Privathaushalte um voraussichtlich mehrere hundert Euro pro Jahr zusätzlich entlasten, weil sie direkt nach dem Abzug der Verwaltungskosten über die Gasrechnung bei staatlichen Gasversorgern wie Uniper landet. Der muss derzeit zu hohen Preisen Ersatz für ausbleibende Gasmengen aus Russland kaufen, weil die stets beschworenen "langfristigen Verträge" mit der Putin-Despotie alle möglichen Klauseln beinhalten, aber keine, die bestimmte Liefermengen bindend festschreibt. 

Kommunikativ ist es der Bundesregierung mit der Ankündigung der Energieentlastungsumlage gelungen, ganz Mediendeutschland aufgeregt über die Frage diskutieren zu lassen, ob die EEU am Ende zwei, drei oder fünf Cent betragen werde. Für die durch einen bisher versechzehnfachten Großhandelspreis beim Erdgas anstehende Erhöhung der Endverbraucherpreise von bisher durchschnittlich sieben Cent pro Kilowattstunde auf die annähernd einen Euro blieb dadurch keine Berichterstattungszeit und keine Spalte Platz, so dass niemand vor der Zeit beunruhigt werden musste.



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Die 100 Mrd. "Sondervermögen" für die Buntewehr nicht zu vergessen...

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